Vom Ortstafelkonflikt in Kärnten 1972 bis zum Ukraine-Krieg 2022, von den „dunklen Wolken über der US-Autoindustrie“ 1980 bis zum Impeachment gegen Donald Trump im Dezember 2019, vom ersten Porträt des damals noch fast unbekannten Autors Peter Turrini im „Profil“ 1973 bis zu Theater-Matineen im Stadttheater Klagenfurt 2006. Eugen Freund hat im Rahmen seiner journalistischen Tätigkeit ein vielfältiges Oeuvre verfasst: Vorträge über das „Transatlantische Verhältnis“ oder der Bericht über einen Mörder, der sich bis zum Gefängnisdirektor sozialisiert hat – die „Zeitgeschichte(n)“ führen uns zurück zum schrecklichen Erdbeben im benachbarten Friaul (1976) oder zum Ende des „Austro-Porsche“, der in Österreich die Automobilindustrie neu beleben sollte. In New York besucht er Hedy Kempny, eine Freundin des Schriftstellers Arthur Schnitzler, er schildert die Auswirkungen der Ölkatastrophe der „Exxon Valdez“ in Alaska und den Absturz einer „Panam 747“ über Lockerbie in Schottland. Ergänzt werden die Beiträge durch ausführliche Interviews: der Medienmogul Ted Turner kommt ebenso zu Wort wie etwa der Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel, UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon, der ehemaligen Kärntner Landeshauptmann Hans Sima, Hannes Androsch am Tag seines Ausscheidens aus der Creditanstalt, oder die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright. Die Berichte und Reportagen erschienen ursprünglich in der „Kärntner Tageszeitung“, der „Presse“, der „Weltwoche“, im „Profil“, der „ZEIT“, der „Vogue“, im „Kurier“, im „Standard“, in der „Berliner Zeitung“ und in „Woman“. Aber auch einige Beiträge, die Freund für das ORF-Radio oder das Fernsehen verfasst hat, finden sich hier wieder. Ein kurzweiliger Rückblick auf ein halbes Jahrhundert Zeitgeschehen. Erschienen am 25. Oktober 2022 im Wieser-Verlag.
Im Folgenden einige, stark gekürzte Auszüge aus dem Buch:
Eugen Freund
Kärntner Tageszeitung 19. Dezember 1972
Zu den einfachsten Grundregeln der Journalistik gehört es wohl, sich über die Sache, die man kommentieren will, zumindest vorher zu informieren. Tut man das nicht, gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder man lässt die Finger davon (was man von einem anständigen Journalisten wohl erwarten kann) oder man schreibt trotzdem darüber und nimmt in Kauf, die Leser falsch, einseitig oder halb zu informieren…
März 1973 „Profil“
Peter Turrini im Porträt
In den Schweinetrog wollten auch viele Kulturhüter den Autor verfrachten: ,,Am besten wäre, man tät‘ den Turrini den Schweindeln vorwerfen!“ schrieb ein Anonymus an Turrini. Andere wiederum reagieren positiv. Hilde Spiel schwelgt in Superlativen: ,,Ausgezeichnet“ sind seine Stücke, ,,begabt und vielseitig“ ist er, und die Literatur-Lady kann nicht umhin: ,,Er erinnert mich irgendwie an Heinrich Böll.“
Interview mit Ferdinand Piëch
Zum Projekt „Austro-Porsche“
März 1978
Piëch: Ich hätte erwartet in Österreich, unter einer sozialistischen Regierung, dass man an erster Stelle ein doch volksähnliches Auto baut, und keinen Mittel- oder doch Oberen Mittelklasse-wagen, das sind also alles Dinge, die aus der Stückzahl-Problematik her gerührt haben, und die haben insgesamt unsere Familie von den Dingen immer weiter weg bewegen lassen, einfach unter der Angst, dass man letzten Endes unter der Beratung von Porsche zwar ein Auto bekommt, aber kein wirtschaftliches Auto mehr.
EF: Und dazu würden Sie Ihren Namen nicht hergeben wollen.
Piëch: Ich mit Sicherheit nicht.
Ronald Reagan und der Gegenwind
November 1982
Ist die Wahl Ronald Reagans von den meisten Analytikern als eine Art Protestwahl gegen Jimmy Carter bewertet worden und weniger als Erfolg der Republikaner, so trifft das auf die vergangene Wahl, mit umgekehrten Vorzeichen, genauso zu. Nicht die Demokraten haben gewonnen, sondern die Republikaner haben verloren. „Stimmen sie gegen den Kurs des Präsidenten“ war der Slogan der Leute um Kennedy, Mondale und Jerry Brown. Doch alternative Programme, etwa zur Senkung der Arbeitslosigkeit, waren, wenn überhaupt, nur sehr schemenhaft zu erkennen. Von Personalalternativen ganz zu schweigen.
Hedy Kempny, eine Freundin Arthur Schnitzlers
New York, 1985
Schnitzler hat ihr finanziell kräftig unter die Arme gegriffen. Das erste Mal war es ein Tausendmarkschein, versteckt in einem Buch, das er ihr gerade übergeben hatte. Er sah darin nichts Besonderes. ,,Schau, ich bin ein reicher Mann, und ich habe dich sehr gerne und du bist wie meine zweite Tochter und ich möchte dir helfen, dein Leben zu erleichtern“, habe er damals zu ihr gesagt.
Das war zu einer Zeit, als Schnitzlers Tochter Lili noch gelebt hat. Hedy Kempny wird ganz ernst. ,,Ja, daran ist er gestorben. Unbegreiflich: ein achtzehnjähriges Mädchen, das sich mit der Pistole ihres Mannes erschießt.“
Der Präsident und die Armut
Juni 1998
Es macht schon einen Eindruck: erst der majestätische Hubschrauber, dann die blank polierten schwarzen Limousinen, Polizeifahrzeuge, Rettung, Leibwächter wohin man blickt: das ganze vor dem Hintergrund von zusammengebastelten Hütten – der Ausdruck Häuser wäre wahrlich übertrieben – Schotterwege, Müll und Gerümpel wohin man blickt: der Kontrast könnte nicht grösser sein – hierher hat sich schon ewig nicht mehr ein Politiker gewagt, geschweige denn der Präsident der Vereinigten Staaten. Hierher, das sind die jene Gebiete in den USA, wo Armut kein abstrakter Begriff ist sondern gelebt wird – in den Apalachen, dem Mississippi-Delta, einem Indianer-Reservat (man könnte genauso gut sagen: in fast jedem Indianer-Reservat) und in Watts, dem berüchtigten Vorort von Los-Angeles. Es ist kein Zufall, dass diese Gegenden mehrheitlich von Minderheiten bewohnt werden – Armut in den USA beschränkt sich zwar nicht auf Minderheiten, ist aber dort häufiger als in der weissen Mehrheitsbevölkerung anzutreffen…
Wenn Du den Frieden willst…
Kleine Zeitung, Februar 2003
Seit dem Vietnam-Krieg war der Spalt innerhalb der Verbündeten nicht mehr so tief und so breit. Das gegenseitige Verständnis ist wachsendem Misstrauen gewichen, beleidigende Rufe quer über den Atlantik werden immer lauter. (Wann ließ das letzte Mal ein deutscher Außenminister jede diplomatische Umschreibung fallen und sagte einem amerikanischen Verteidigungsminister auf offener Bühne ins Gesicht: „Sorry, I just don´t get it“, so geschehen durch Joschka Fischer bei einer Sicherheitskonferenz in München, an der auch Donald Rumsfeld teilnahm.)
Mein Auftritt im Stadttheater Klagenfurt 2005
„Pique Dame“, Oper von Peter I.Tschaikowsky
Eine Stiege wie Thomas Gottschalk – ich wollte wetten, dass das nicht erfüllt wird, aber, voila, hier ist sie….
Willkommen – meine Damen und Herren – auf der erfolgreichsten, bestens ausgelasteten, finanziell solide geführten, schönsten Sehbühne im Raume Wörthersee – nein, nein, lachen sie nicht, ich meine Seh-Bühne – so wie Berlin die Schaubühne hat, haben wir die Seh-Bühne, weil es hier ja wirklich ständig etwas zu sehen gibt….
Wie 9/11 die USA verändert hat
Jänner 2011
Sie war traurig. Und verstört. Dabei wollte sie ja nur einen Monat in die USA, um dort an einem Kurs teilzunehmen, damit sie eventuell später ein College besuchen kann. Und jetzt das: das Visum wird ihr verweigert. Zumindest vorerst. Von den unzähligen Unterlagen hatte eine gefehlt. Aber das war nicht das Schlimmste. Ein Beamter am amerikanischen Konsulat hatte ihr sogar Schmauchspuren an den Handflächen abgenommen. Nur so zur Sicherheit, man weiß ja nie, ob nicht eine österreichische siebzehnjährige Mittelschülerin in ihrer Freizeit im Hinterhof mit einem Schiessgewehr herum ballert. Oder vielleicht ein fünfzehnjähriger Gymnasiast. Auch seine Handflächen – er hatte ebenfalls um ein Visum angesucht – wurden genau untersucht. Wozu genau, ist nicht die Frage, die sich jemand stellt…
Europa muss sich stärker engagieren
Jan 2015
“Sorry, ich bin keine Diplomatin!” Solche Worte hört man selten aus dem Mund einer (künftigen) Chefverhandlerin und sie sind ihr wohl auch nur herausgerutscht. Mit einem breiten Lächeln dreht sich Federica Mogherini zu Elmar Brok, dem Vorsitzenden des auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, der den ungewöhnlichen Ausspruch ausgelöst hatte. Ein paar Wochen später wird die selbe Dame, nachdem sie das Hearing mit Bravour bestanden hatte, Hohe Repräsentantin der Europäischen Union. Und weil es vor der Haustüre Europas an allen Ecken und Enden gewaltig brennt, wird Mogherini, Diplomatin oder nicht, große Herausforderungen zu bestehen haben….
Donald Trump, der Dritte Weltkrieg und die EU
Jänner 2017
Dienstag, 13. Juni 2017. 2 Uhr 27. Washington D.C.
Im dritten Stock des Weißen Hauses brennt Licht. Donald Trump ist hellwach. Er schickt gerade wieder einmal einen seiner berühmt-berüchtigten Tweets ab: „Der @andrewcuomo ist ein totaler Versager. Wie konnte er nur so eine dumme Entscheidung treffen. Katastrophe!“ Plötzlich läutet das Telefon. Trump hebt ab. „Entschuldigen Sie, Herr Präsident. Wir haben einen Notfall. Nord Korea hat gerade eine Interkontinental-Rakete abgefeuert. Sie kommt auf die Westküste zu, aber es ist noch unklar, ob sie vorher in den Pazifik stürzt. Wir treffen uns gerade alle im Situation-Room. Können Sie bitte runterkommen?“ „Geben Sie mir eine Minute, ich bin gleich bei euch.“ Der Präsident nimmt sein Handy, tippt „North Corea“ hinein. „Do you mean Chick Corea?“ liest er am Bildschirm. „Fuck you, North!“ flucht er zwischen den Zähnen. Endlich erscheint, wonach er gesucht hat. Dann tweetet er: „Kim Jong-un – you will never get away with this. Bombing will start in three minutes. You are fired!“
Als sich Moskau und Washington um „westliche Werte“ stritten
12. 2. 2022
Die bedrohliche Situation um die Ukraine wirft immer wieder die Frage nach den „Einflusssphären“ auf: während der Westen heute darauf besteht, dass sich jeder sowjetische Nachfolgestaat in Europa aussuchen können soll, wohin er sich orientiert, will Russland die NATO nicht zu nahe an seine Grenzen ziehen lassen. Haben die USA schon vor dem endgültigen Zerfall der Sowjetunion entsprechende Zusagen dafür gegeben? Ein Blick auf den Gipfel in Malta vom Dezember 1989 lohnt sich.
Mich hat sie auch fast vom Sessel geworfen, diese Explosion. Michael Gorbatschow und George H.W.Bush sitzen nebeneinander, die beiden Dolmetscher leicht versetzt hinter ihnen. Davor eine Unmenge an Journalisten. Alles läuft geregelt ab. Plötzlich gibt es diesen lauten Knall: die Sicherheitsleute hantieren aufgeregt an den faltbaren Schutzschirmen, die sie im Notfall über die Staatsmänner werfen können. Doch schnell stellt sich heraus: nur ein Scheinwerfer eines TV-Teams war zerborsten. Gorbatschow ruft schlagfertig in den Saal: „Ein Salut für uns….“