Meine Erinnerungen an die Zeit im Bild 2
Zu erst einmal: alles Gute zum Geburtstag! 50 Jahre sind eine gewaltige Zeitspanne für ein regelmässiges TV-Programm. Die einzig andere Sendung, die ich mindestens so lange verfolge und die nur ungleich älter ist, ist der „Tatort“. Den habe ich auch selten versäumt (aber, zugegeben, weniger davon gelernt, viele Folgen davon waren, zugegeben, spannender als die ZIB2.) Ich würde übertreiben, würde ich mich an die erste ZIB 2 erinnern, obwohl ich sie sicher gesehen habe. Kuno Knöbl, Dieter Seefranz und Peter Pirker waren mir nach einiger Zeit sehr vertraut, Peter Pirker kannte ich übrigens von meinem zweiten zuhause, dem Klopeiner See. Er war dort im Reisebüro Springer tätig, in welcher Funktion genau, erinnere ich mich heute auch nicht mehr. Vier Jahre nach Beginn der ersten Sendung verabschiedete ich mich in die USA, dort beschränkte sich mein österreichischer Medienkonsum auf das Lesen, oder besser: Durchblättern einiger Tageszeitungen, die mit ca. einwöchiger Verspätung in unserem Büro in New York ankamen. Die meisten Informationen aus Österreich holte ich mir damals aus der Kurzwelle, über die das Mittagsjournal – wegen der Zeitverschiebung – schon in der Früh ausgestrahlt wurde.
Als ich nach fünf Jahren intensiver US-Medienbeobachtung nach Österreich zurückkehrte, wollte Anfangs im ORF niemand von mir wissen. Obwohl sich immer wieder hochrangige ORF-Funktionäre in Manhattan aufhielten und ich sie gelegentlich herumführte (da fiel einmal auch der Ausspruch eines Kollegen: „Wenn Sie zurück zum ORF wollen, es sind ihnen Tür und Tor geöffnet…“ und ich war der Tor, der daran geglaubt hatte…), musste ich eineinhalb Jahre auf eine Tätigkeit im ORF warten. Immerhin saß ich dann im gleichen Zimmer wie die von mir sehr geschätzten Robert Hochner und Josef Broukal und ich durfte erste Beiträge für die ZIB 2 gestalten. Irgendwann im Sommer 1986 moderierte ich ein paar Probesendungen und sass dann tatsächlich im August, so um den 20., auf dem Anchor-Sessel. Ich hatte einen Gast, es war der Chef der Gemüsebauer aus dem Burgenland, das Hauptthema an diesem Tag waren die gefallenen Preise für die Paradeiser. „Das ist also das Corpus Delicti oder“ (schliesslich stand ein Korb voller Tomaten vor mir)“ das Korbus Delicti, Tomaten aus dem Burgenland…“ – das waren meine ersten Sätze, unvergesslich. Nein, nicht unvergesslich, es gibt davon noch eine Aufzeichnung, deshalb kann ich das wörtlich wiedergeben…
Meine erste ZIB 2, August 1986. Man beachte auch den rauchenden Kollegen hinter mir.
Genau weiss ich die Zahl nicht, aber nach ca. 20 Moderationen war dann wieder Schluss. Ich wurde im Februar 1987 nicht mehr eingeteilt. Als ich bei der Chefredaktion nachfragte, sagte mir Horst-Friedrich Mayer ziemlich unverblümt: „Wissen Sie, Herr Freund, von unseren Zusehern haben wir erfahren, Sie verbreiten Angst und Unsicherheit über den Bildschirm.“ Ich war, gelinde gesagt, einigermassen erstaunt, dass man dazu 20 Sendungen gebraucht hat, aber ich konnte nichts dagegen tun. Meine Erklärung war eine ganz andere. Zum Jahreswechsel war Franz Vranitzky im Studio gewesen, die SPÖ war gerade dabei, eine große Koalition mit der Volkspartei einzugehen. Ich wollte von ihm wissen, was passiert, wenn „sich der Brei der großen Koalition über alles verbreitet und andere Stimmen nicht mehr zum Zug kommen würden.“ Ihn hat diese Frage nicht gestört, wie man aus der Antwort erkennen kann. Aber für die ORF-Oberen war das offensichtlich eine Frage zu viel, und so verkündete man mit leichter Verspätung das Ende meiner Moderationstätigkeit.
Interview mit Franz Vranitzky, Dezember 1986
Wenn ich mir heute die Sendungen ansehe, glaube ich zwar noch immer nicht, dass sich die Zuseher vor mir gefürchtet haben, aber ein richtiger Anchorman war ich damals jedenfalls nicht. 1986 war auch ein wichtiges Jahr in der Innenpolitik. Kurt Waldheim, der ehemalige UNO-Generalsekretär, bewarb sich um die Präsidentschaft. Mitten im Wahlkampf veröffentlichten das „Profil“ und die „New York Times“ Dokumente, aus denen hervorging, dass Waldheim seine diversen Tätigkeiten im Zweiten Weltkrieg, nun, „beschönigt“ oder gar nicht erwähnt hatte. Das Thema faszinierte mich und so durfte ich viele Beiträge dazu auch für die ZIB2 gestalten. Unter anderem berichtete ich über das druckfrische – auf Englisch verfasste – „Weissbuch“, das Waldheim von jeder Mitschuld an Verbrechen im 2. Weltkrieg „weisswaschen“ sollte. Vor allem für die ältere Generation war das Thema schwer zu verdauen. Das zeigte sich insbesondere bei Klaus Emmerich, damals ORF-Korrespondent in Washington, der immer wieder deutlich machte, auf welcher Seite er stand. Nirgendwo so eindeutig, wie nach der Ankündigung der Vereinigten Staaten, Kurt Waldheim die Einreise in die USA zu verbieten („Watch List“).
Die technische Affinität Robert Hochners, von der Armin Wolf in seinem wunderbaren Rückblick (https://www.arminwolf.at/2021/06/11/sir-robert/) auf den ersten wirklichen Anchorman im ORF geschrieben hat, zeigt sich auch im nächsten Video. Ich machte einen Beitrag über eine neue Videokamera, die man damals zu einem besonders günstigen Preis bei HARTLAUER kaufen konnte. Hartlauer unterbot mit seinem Angebot den Preis, den Sony seinen Händlern vorschrieb, Hochner war aber (wie ich) so begeistert von diesem System, das er den Beitrag unbedingt bringen wollte. Aber es wäre nicht Hochner gewesen, wenn er sich nicht eine besondere Präsentation ausgedacht hätte.
Robert Hochner 1987
Es gäbe noch viel über großartige ZIB2 Sendungen zu schreiben, auch über solche, die weniger gelungen waren. Zum Beispiel mein einziger Auftritt nach der Nominierung als Spitzenkandidat der SPÖ für das Europäische Parlament. Doch bis auf eine weitere Konfrontation mit Othmar Karas war das auch schon, was mein Erscheinen in der ZIB 2 betraf. In den 5 Jahren darauf als Mitglied des Aussenpolitischen Ausschusses wurde ich dann nicht mehr in die Sendung eingeladen. Das alles ändert freilich nichts daran, dass ich ein regelmässiger Zuseher der Spät-Abendnachrichten geblieben bin. 50 weitere Jahre werde ich nicht schaffen, möglicherweise auch die ZIB 2 nicht, aber wir halten durch, solange es irgendwie geht. Gerade jetzt ist die ZIB 2 notwendiger denn je.
Hier noch mein Nachruf auf Robert Hochner für den „Standard“ im Jahr 2001
Robert Hochner: Erinnerungen an einen TV-Profi (Juni 2001)
Es war irgendwann Mitte der Achtzigerjahre, ich war gerade nach fünf Jahren in New York wieder zurück in Wien: Hungrig nach und verwöhnt von den US- amerikanischen Informationssendungen sah ich mir eines Abends die ,,Zeit im Bild 2″ an – oder hieß die Sendung damals noch „Zehn vor Zehn“?
Da saß er, hinter dem schwarz betuchten Tisch auf dem ,,Anchorchair“: der ,,Anchorman“ Robert Hochner. Top gestylt, den rechten Arm lässig von sich gestreckt, den Oberkörper zur Seite gelehnt, in der Hand meist einen Kugelschreiber, ein freundliches, offenes Gesicht und sooo amerikanisch: souverän, spritzig, intelligent, wie man es sonst nur von US- Moderatoren gewohnt war.Ein paar Monate später teilte ich mit ihm und Josef Broukal das Arbeitszimmer. Danach, ein halbes Jahr lang, den Bildschirm: Es war ein Contest, den ich nicht gewinnen konnte.
Sein Konterfei hätte – wie das seines großen Vorbilds, ABC-Moderator Peter Jennings in New York –die Autobusse in Wien zieren können, als das Aushängeschild der Informationsprogramme des ORF: ,,Nachts um 10: Robert Hochner in der ZiB 2″.
Aber Wien ist nicht New York – man hat ihn auch so gekannt, und nicht nur vom Bildschirm her: Er saß oft im Kaffeehaus und studierte dort internationale Zeitungen (während die anderen Besucher ihn musterten); ein Spaziergang durch die Innenstadt war für ihn wie ein Hindernislauf mit unsichtbaren Balken: In der mildesten Version starrten ihn die Leute einfach nur an und tuschelten hinter seinem Rücken. Die nächste Hürde musste er nehmen, wenn ihn Unbekannte grüßten oder auch ganz einfach mit Banalitäten ansprachen. Er beugte sich diesen Notwendigkeiten („Mein Chef ist mein Publikum“).
Und dann waren da noch die Prominenten, die man auch auf der Kärntner Straße trifft und die er eben kannte, weil sie in seiner Sendung zu Gast waren: der Generalsekretär, die Schauspieldirektorin, der Flugzeugkapitän.
Robert Hochner war freilich anders, er war nicht ,,verhabert“ mit der Prominenz, und wenn ihre Repräsentanten in der „ZiB 2″ auftraten, spielte er seine Professionalität und seinen kritischen Geist voll aus. Und kritisch war er.
Johannes Fischer, der viele Jahre sein Chef in der Redaktion war, erinnert sich: ,,Wir haben fast täglich miteinander gestritten, aber es ging immer um die Sache, es wurde nie persönlich.“
Ausgerechnet „Stop“ hieß die TV-Sendung, bei der seine journalistische Karriere begann. Sie hätte genau so gut „Start“ heißen können. Dem Regieassistenten Robert Hochner war dieses Automobilmagazin mit dem Anspruch, kritisch sein zu wollen, zu seicht: Er meldete sich beim damaligen Redaktionsleiter Walter Schiejok, machte ihm konkrete Vorschläge, wie man die Sendung weniger auto-freundlich gestalten könnte. Verkehrssicherheit, Alternativen zum Automobil, der Kampf gegen Formel-Eins Rennen im Fernsehen – Robert Hochner hatte nicht immer die Massen auf seiner Seite, aber er war damit eindeutig seiner Zeit voraus. Schon damals zeigte sich, dass er ein schwieriger Zeitgenosse war, wie alle Einzelgänger, eine ,,Primadonna“, wie ihn später manche Kollegen bezeichneten, die sein Wissen mit Besserwissen verwechselten und sein selbstbewusstes Auftreten mit Arroganz.
Politik als Heuriger
Dass ihn „Die Zeit“ im August 1996 zum “souveränsten TV-Moderator im deutschsprachigen Raum“ erklärte, förderte seine Beliebtheit in der Zunft ebenso wenig. Auch wenn in diesem Artikel, natürlich, viele richtige und kluge Erkenntnisse über ihn und von ihm wiedergegeben wurden: Die Innenpolitik (damals noch schwarz-rot) ist ,,ein einziger Heuriger, unterbrochen durch Pressekonferenzen“; ,,Fernsehen ist keine Kanzel“; ,,Der Moderator ist nicht die Nachricht“; und (geradezu prophetisch): „Gespielte Betroffenheit, das ist für mich das Ärgste.“
Wie sagte doch Walter Cronkite, die CBS-Moderatorenlegende bei seinem Abschied vom Bildschirm? ,,Old anchormen don’t die, they just fade away.“
Was dich betrifft, Robert, wir sorgen dafür, dass Dein Vermächtnis nicht vergessen wird.