USA: Als Jörg Haider Österreich zu Schlagzeilen verhalf

Ein Rückblick auf den Februar 2000

Trommelwirbel. Musik. Eine sonore, bekannte Stimme dröhnt aus dem Fernseher: „Ein Echo aus nazistischer und antisemitischer Vergangenheit löst Angst und Zorn in Europa aus…weil ein früherer Bewunderer Hitler’s die Macht in Österreich erobert…“ Es ist der 4. Februar 2000, die „CBS Evening News“, die beliebten US-Abendnachrichten mit Dan Rather, zeichnen schon in ihrem Aufmacher ein erschreckendes Bild unseres kleinen Alpenstaates. Was, um Himmels Willen, war geschehen? Haben die Nationalsozialisten geputscht? Oder das Militär? Nein, natürlich nicht. Jörg Haider, der Kärntner Landeshauptmann und Parteiobmann der Freiheitlichen, selbst in den USA kein Unbekannter, hatte damals eine Koalition seiner Partei mit der ÖVP geschmiedet

CBS Evening News 4. February 2000

Schon zweieinhalb Monate davor – der Wahlausgang deutete auf eine derartige Rechts-Verbindung hin – bekam ich von den Freiheitlichen mein Fett ab. Unter der Überschrift: „ORF für österreichfeindliche Kampagne“ meldet sich bei der APA Peter Westenthaler, damals FPÖ-Generalsekretär, zu Wort. Als „Skandal“ wertet Westenthaler „das Auftreten des ORF-USA-Korrespondenten Eugen Freund, der bei einer Pressekonferenz des US-Aussenamts-Sprechers James Rubin diesen erst mit Fragen zum österreichischen Wahlausgang und zur FPÖ konfrontiert und damit das Thema künstlich erzeugt“ habe. Die Frage nach dem Wahlausgang kam allerdings nicht von mir, sie hatte ein kanadischer Kollege gestellt.

APA vom 7. Oktober 1999

Doch das warf damals schon ein eigentümliches Licht auf die Einstellung der Freiheitlichen zu Demokratie und Medienfreiheit. „Der Höhepunkt waren die gestrigen Hitler-Einspielungen im Beitrag des Herrn Freund aus den USA. (…) Der ORF…hätte die Pflicht, alles daran zu setzen, unqualifizierte Diffamierungen und Österreich-Beschimpfungen entgegenzutreten und sie nicht noch anzukurbeln,“ meinte Westenthaler. Tatsächlich hatte der CBS-Korrespondent in seinem Bericht aus Wien auch die Äusserungen Jörg Haiders zur „ordentlichen Beschäftigungspolitik im Dritten Reich“ erwähnt und diese mit Bildern Hitlers bei seiner Fahrt durch die Bundeshauptstadt unterlegt. Natürlich erschien mir das signifikant genug, um es damals in meinem Bericht einzubauen.

Das Papier ist schon leicht vergilbt, 25 Jahre fordern ihren Tribut. Doch als ich die aufgehobenen Zeitungen von Anfang Februar 2000 meinem Archiv entnehme, ist alles bestens lesbar. Etwa der Artikel auf Seite Eins in der „Washington Post“: „Präsident Thomas Klestil nahm heute eine neue Koalition an, die die Rechts-aussen-Partei FPÖ inkludiert und damit Österreich in die schwerste diplomatische Krise seit dem Zweiten Weltkrieg fallen lässt. Gleichzeitig werden damit die Beziehungen zu der Europäischen Union und den USA gefährdet.“ In der „New York Times“, ebenfalls auf Seite Eins, ist zu lesen, dass der Koalition „Jörg Haiders Anti-Einwanderer Partei“ angehört, die nun „auf einen Zusammenstoß mit der Europäische Union zusteuert, die Haiders Partei als fremdenfeindlich und extremistisch betrachtet.“

Haider hatte etwas geschafft, was noch keinem, oder sagen wir es vorsichtig: fast keinem Provinzpolitiker aus Europa vor ihm gelungen war: in respektierten internationalen Zeitungen in Schlagzeilen erwähnt zu werden, ohne dass hinzugefügt wird, um wen es sich dabei handelt. Sein Name sagte damals alles. 

 „Haider: We’re nice guys“ („Haider: wir sind nette Burschen“) titelte etwa die „New York Post“ (den Ausdruck „respektiert“ nehme ich für dieses Boulevardblatt kurz zurück). Und sogar die „New York Times“ hatte innerhalb eines Monats so oft über den Kärntner Landeshauptmann berichtet, dass der angesehene Korrespondent Roger Cohen ihm ebenfalls eine Überschrift widmete, in dem jeder Hinweis auf seine Herkunft oder Position fehlte: „Eine Theorie, warum Haider so zieht: Nicht Ideologie, sondern Marketing“. Cohen sieht sich für diese Erkenntnis auch dort um, wo das Phänomen Haider am besten erklärt werden kann: in Kärnten selbst. Das zeigt sich in der Ortsangabe, die in Artikeln der „NYT“ immer ganz am Anfang steht: „Bad Kleinkirchheim“. Schon die allererste Zeile lässt jeden Kärnten-Fanatiker aufjauchzen: „Hier in der Mitte eines Postkarten-schönen Österreich – Skipisten von Föhren eingerahmt, die Sonne blendet, Familien, deren Wangen rosig glänzen und die Punsch trinken…“ Auch die Anziehungskraft Haiders wird punktgenau erklärt: „Ein bisschen Thatcherism, eine Dose Robin Hood, ein paar Designer Label, ein Touch  von ‚Österreich-Erst‘-Intoleranz, ein Farbkleks von ‚Sagen-wie es-Ist. Dazu fanatische körperliche Fitness und heraus kommt ein moderner europäischer Magier, der es geschafft hat, seine Partei von 5 auf 27 Prozent hinaufzuschrauben.“ Und ein paar Zeilen weiter: „Also, der Prophet einer schlankeren Regierung, von mehr individueller Verantwortung und geringeren Staatsausgaben ist der gleiche, der ein ambitiöses Programm staatlicher Zuwendungen vertritt? Nun, ja, wenn das Stimmen bringt!“ Haiders sportliche Erscheinung findet auch in der „NewsHour“, des öffentlich-rechtlichen Senders PBS, Eingang.

Aus PBS „Newshour“ vom 4. 2. 2000

Hier wird über die Feier zum 50. Geburtstag des damaligen Landeshauptmanns berichtet, gleich in den ersten Sekunden wedelt Haider in einem „posh ski-resort“ über den Bildschirm. Doch so banal bleibt es nicht lange. Haiders vage Distanzierung von seiner Aussage, SS-Soldaten seien „ehrenwerte Männer“ gewesen, bringt ihn rasch wieder in die Nähe des Nationalsozialismus. Danach rückt in längeren Interviews die damalige „Presse“-Redakteurin Anneliese Rohrer zu seiner Verteidigung aus. „Eine Überreaktion“ und „kontraproduktiv“ sei die (ausländische) Berichterstattung über die Freiheitlichen gewesen, meint sie in einer Schaltung aus Wien. 

Ebenfalls weniger dramatisch sieht es Peter Jennings. Der aus Kanada stammende Anchorman der ABC „World News Tonight“ spricht Österreich und somit Haider nicht die demokratische Legitimation ab, und doch „Herr Haider ist entweder ein Rechtsextremer oder ein Populist, das hängt von ihrem Standpunkt ab…“

New York „Review of Books“

Alle EU-Mitgliedsstaaten hatten Sanktionen gegen Österreich eingeleitet. Der Historiker Tony Judt erklärt in einem ausführlichen Artikel („Tale From the Vienna Woods“) in der „New York Review of Books“, wie es damit tatsächlich aussah: „Weil Österreich keine EU-Regulative verletzt hat, sind die Sanktionen bilateral: obwohl alle Mitgliedsstaaten mitmachen, liegt die Europäische Union in keinem Streit mit Wien…“ Noch ein weiter „Promi“ greift in die Tasten. Für einen Gastkommentar für die „New York Times“ schreibt Salman Rushdie von „hässlichen Stimmen“, die da aus Österreich zu vernehmen sind, doch auch „Vetternwirtschaft und Korruption“ hätten die Wähler ebenfalls in die Hände von Haider getrieben.  

Noch viele Tage danach, also dem 3. bzw. 4. Februar 2000, waren Zeitungsspalten in den USA gefüllt mit kritischen Berichten aus Österreich. 

Nichts dergleichen wird diesmal zu sehen, hören oder zu lesen sein. Zu weit rechts sind in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten viele Länder gerückt, und das gilt besonders für die Vereinigten Staaten. Wer von einem autokratischen Präsidenten regiert wird, hat keine Zeit und keinen Platz, die Situation in Österreich genauer zu betrachten, egal, welche Geister hier gerade wachgerufen werden.