Beobachtungen von der Inauguration des 47. Präsidenten
Das große Amerika war auf 250 Quadratmeter zusammen geschrumpft: so klein(kariert) hat kaum noch eine Inauguration ausgesehen. Zuletzt hat sich diese Amtseinführungs-Zeremonie ins Innere das Capitols vor 40 Jahren zurück gezogen, weil es angeblich zu kalt dafür sei. Damals hatte es Minus 14 Grad, diesmal waren es Minus Vier. Auch wenn er es nicht – nie! – zugeben würde, es war wohl auch Donald Trumps Sorge, dass diesmal noch weniger Zuseher die Mall vor dem Parlamentsgebäude füllen würden als vor acht Jahren. Schon damals hatte Trump fälschlicherweise behauptet, niemals zuvor seien so viel Leute im Freien gestanden wie bei ihm.
Es ist – und es wird – eng
Diesmal konnte man die Besucher mit einem Zeigefinger zählen, denn in der Rotunde haben nur etwas mehr als 700 Menschen Platz. Sie ist eindrucksvoll, ich selbst war vor ein paar Jahren dort, vor allem der Blick nach oben, zur Kuppel, ist eindrucksvoll. Doch wenn man diesen Raum gemeinsam mit zehn anderen besucht, gibt es kein Gefühl der Enge. Dieses Gefühl der Enge hat mir auch Donald Trumps erste Rede als Präsident vermittelt: es wird eng für Andersdenkende („In offiziellen Dokumenten gibt es nur mehr Mann und Frau“), es wird eng für illegale Immigranten („Ab morgen beginnen wir mit dem größten Abschiebeprogramm, dass die USA je gesehen haben.“) eng wird es für die Beamten des Justizministeriums („Die gemeine, gewalttätige Attacke des Ministeriums – und ich weiss, wovon ich rede – wird enden.“) Eng wird es für Panama und den Golf von Mexico – der eine soll heim ins Reich geholt, der andere umbenannt werden. Eng wird es für die Klimapolitik, ja sogar für E-Autos – leider hat man uns das Gesicht von Elon Musk nicht gezeigt, als der Präsident ankündigt, sich nicht länger an die Umweltvorschriften zu halten, wonach die Autofirmen eine bestimmte Anzahl an Elektroautos bauen müssen. Es wird eng. Ausser in den Bohrlöchern der Ölplattformen, dort soll nach „flüssigem Gold“ gebohrt werden, was das Zeug hält. Oder um es mit den Worten Donald Trump auszudrücken: „Drill, baby, drill!“ Nur wie auf diese Weise die Benzinpreise gesenkt werden sollen, wenn die USA jetzt schon der größte Öllieferant sind, das muss man mir noch erklären.
Der überragende Trump
Doch kommen wir zurück zum Atmosphärischen: den größten Unterschied zur Amtseinführung Donald Trumps vor acht Jahren verkörpert sein Sohn Barron. Er ist (sieht man von den Kindern des Vizepräsidenten JD Vance ab), der Jüngste und der Größte: wem immer er die Hand schüttelt, sein Gegenüber muss weit noch oben in das Gesicht von Barron blicken. Beim ersten Mal war er knapp zehn Jahre alt und wohl vier Köpfe kleiner.
Barron Trump (18) überragt alle. (Foto aus der ORF-TV-Übertragung
Mehr als eine halbe Stunde müssen die Vorgänger-Präsidenten, bis auf Barack Obama alle schon deutlich über siebzig, stehend auf die Ankunft der Hauptpersonen warten: Joe Biden zieht mit seiner Frau Jill ein, Kamala Harris und ihr Ehemann, danach kommen JD Vance und seine indisch-stämmige Frau und als vorletzte Melania Trump. Michelle Obama bleibt den Feierlichkeiten fern. Sie wird gewusst haben, warum.
Melania gut behütet
Melania trägt ein elegantes, schwarzes Kostüm von Ralph Lauren und dazu einen breitkrempigen Hut, der so viel Schatten in ihr Gesicht wirft,, dass kaum ein Gesichtsausdruck vom Fernsehen eingefangen werden kann. Und auch die Kuss-Versuche Donalds scheitern an der breiten Krempe: wenn er seinen Mund zuspitzt, um den Kuss an Melanies Wange landen zu lassen, scheitert das Unterfangen. So schlau hat sich noch keine Ehefrau öffentlich ihren Mann vom Hals – oder vom Gesicht – gehalten.
Schliesslich marschiert Donald Trump ein, unter heftigem Applaus seiner Gefolgsleute. Wie immer in den USA bleibt auch die Trennung von Religion und Staat nur ein Gerücht: Gebetet wurde um die Mittagszeit in Washington um die Wette, jede Religion konnte einen Vertreter entsenden. Beim letzten Priester, einem Schwarzen, der sich geradezu in Rage redet, („Thank You God – we are free again!“) kann Trump sogar ein Lächeln nicht verkneifen. Das wiederum gefriert seinem Vorgänger Joe Biden, als er von Trump das Land beschrieben bekommt, das er in den vergangenen vier Jahren durch schwierige Zeiten, keineswegs erfolglos, geführt hat.
46 und 47 – es trennen sie Welten
Donald Trump und Joe Biden, im selben Raum, doch es trennt sie Welten. Nr. 46 kann kaum glauben, was ihm Nr. 45 & 47 vorhält: Er zeichnet ein grimmiges Bild, spricht vom Niedergang, ja, vom Verfall der USA, der ein Ende nehmen wird. „Unser Land hat gelitten, aber wir führen es wieder zurück!“ Ohne konkret zu werden, spricht er vom Verrat an den USA, den er zurück nehmen werde. Insgesamt beschreibt er sein Land als ein korruptes, kaputtes Territorium, das nur er, Trump, wieder zum größten Land der Welt aufbauen kann. Dazu soll auch das Militär beitragen. Weniger als Kampftruppe, die irgendwo im Ausland Stützpunkte errichten soll, sondern vorwiegend an der Grenze zum Süden, also Mexikos, um dort gegen Einwanderer vorzugehen. Eine Frage bleibt dennoch offen: wie soll Panama dazu gebracht werden, den Kanal wieder unter die Fittiche der Vereinte Staaten zu bringen. Etwa doch militärisch?
Nach der Amtseinführung geht es gleich so richtig los: Donald Trump unterschreibt vor zehntausenden Anhängern in der Capitol-Arena mehr als 100 Dekrete – eine Unterschrift genügt, und es könnte sich viel ändern. Könnte, denn über geltende Gesetze kann sich auch Trump nicht hinwegsetzen. Zum Beispiel soll es keine automatische Staatsbürgerschaft mehr für Babys geben, die in den USA geboren werden – das aber ist Verfassungsgesetz, und kann nur mit zwei-Drittel-Mehrheit des Parlaments aufgehoben werden. Die Umbenennung des Golf von Mexiko ist auch nicht so einfach, da gibt’s eine eigene Behörde, die das überprüfen und umsetzen muss. Der Austritt aus der Weltgesundheitsbehörde (WHO) ist vorwiegend eine Geldangelegenheit – die USA zahlen viel ein, davon profitieren hauptsächlich arme Länder, die nun ohne ärztliche Versorgung bleiben könnten. Das Pariser Klimaabkommen hat Trump schon 2017 verlassen, jetzt kommt es darauf an, wie die Bundesstaaten und auch die Industrie reagieren. Davon hängt ab, wie hoch der CO2 Ausstoß der USA in den kommenden vier Jahren sein wird. Am meisten sorgen müssen sich jetzt aber die illegalen Einwanderer, auf sie kommen jetzt wirklich harte Zeiten zu. Oder anders ausgedrückt: für sie wird es nun wirklich eng.