Wird Europa nicht mehr zu erkennen sein? Was jetzt in der aktuellen US-„Nationalen Sicherheit-Strategie“ steht, schrieb Vize- präsident J.D. Vance schon im Februar den Europäern ins Stammbuch – und ich in mein Buch „Das Spiel mit dem Dritten Weltkrieg – Wie Europa und die USA auseinanderdriften“

14. Februar 2025
Bayerischer Hof, München: Auftritt von J. D. Vance, US-Vizepräsident

Kaum eine Rede eines hohen amerikanischen Offiziellen hat so viel Aufmerksamkeit – und Kopfschütteln – hervorgerufen wie der Auftritt des US-Vizepräsidenten J. D. Vance bei der alljährlichen Sicherheitskonferenz in München. Die Erwartungshaltung war nicht übergroß, schließlich wusste man über die Einstellung der Trump- Administration gegenüber der Europäischen Union Bescheid.

J.D. Vance: Die Bedrohung, die mich in Bezug auf Europa am meisten besorgt, ist nicht Russland, nicht China, nicht irgendein anderer externer Akteur. Was mich besorgt, ist die Bedrohung von innen. Der Rückzug Europas von einigen seiner grundlegendsten Werte, Werte, die es mit den Vereinigten Staaten von Amerika teilt.
(…)
Leider ist es, wenn ich mir Europa heute ansehe, manchmal nicht so klar, was mit einigen der Sieger des Kalten Krieges geschehen ist. Ich schaue nach Brüssel, wo EU-Kommissare Bürger davor warnen, dass sie beabsichtigen, soziale Medien während Zeiten ziviler Unruhen abzuschalten – sobald sie das entdeckt haben, was sie als »hasserfüllte Inhalte« einstufen.
Oder in dieses Land, wo die Polizei Razzien gegen Bür- ger durchgeführt hat, die verdächtigt wurden, antifemi- nistische Kommentare online gepostet zu haben, als Teil eines »Aktionstags gegen Misogynie im Internet«.
Ich schaue nach Schweden, wo vor zwei Wochen die Regierung einen christlichen Aktivisten verurteilte, weil er an Koranverbrennungen teilgenommen hatte, die zur Ermordung seines Freundes führten. Und wie der Rich- ter in seinem Fall beängstigend feststellte, gewähren die schwedischen Gesetze zum Schutz der freien Meinungs- äußerung nicht, und ich zitiere, »einen Freibrief, um al- les zu sagen oder zu tun, ohne das Risiko, eine Gruppe zu beleidigen, die diesen Glauben teilt«.
In Großbritannien und ganz Europa, so fürchte ich, ist die Meinungsfreiheit auf dem Rückzug.
Und im Interesse der Komik, meine Freunde, aber auch im Interesse der Wahrheit, muss ich zugeben, dass die lautesten Stimmen für Zensur manchmal nicht aus Europa, sondern aus meinem eigenen Land gekommen sind. Die vorherige Regierung bedrohte und schikanier- te Social-Media-Unternehmen, um sogenannte Fehlinformationen zu zensieren. Fehlinformationen wie zum Beispiel die Vorstellung, dass das Coronavirus höchstwahrscheinlich aus einem Labor in China entwichen sei. Unsere eigene Regierung ermutigte private Unternehmen, Menschen zum Schweigen zu bringen, die es wagten, eine Wahrheit auszusprechen, die sich später als offensichtlich herausstellte.
Also komme ich heute nicht nur mit einer Beobachtung, sondern mit einem Angebot. Und so verzweifelt die Biden-Regierung danach zu sein schien, Menschen zum Schweigen zu bringen, die ihre Meinung äußern, so wird die Trump-Regierung genau das Gegenteil tun. Und ich hoffe, dass wir dabei zusammenarbeiten können.
In Washington gibt es einen neuen Sheriff. Und unter Donald Trumps Führung mögen wir vielleicht nicht mit euren Ansichten übereinstimmen, aber wir werden dafür kämpfen, euer Recht zu verteidigen, sie im öffentlichen Raum zu äußern – egal, ob wir zustimmen oder nicht.
Nun sind wir an einem Punkt angelangt, an dem die Situation so schlimm geworden ist, dass Rumänien im vergangenen Dezember kurzerhand die Ergebnisse einer Präsidentschaftswahl annullierte – basierend auf den vagen Verdächtigungen eines Geheimdienstes und dem enormen Druck von seinen kontinentalen Nachbarn.
Wie ich es verstehe, lautete die Begründung, dass russische Desinformation die rumänischen Wahlen infiziert habe. Doch ich würde meine europäischen Freunde bit- ten, ein wenig Perspektive zu bewahren. Man kann es für falsch halten, dass Russland Social-Media-Anzeigen kauft, um Wahlen zu beeinflussen – das tun wir jedenfalls. Man kann es sogar auf der Weltbühne verurteilen. Aber wenn eure Demokratie durch ein paar Hunderttausend Dollar an digitaler Werbung aus einem fremden Land zerstört werden kann, dann war sie von Anfang an nicht besonders stabil.
Die gute Nachricht ist jedoch, dass ich eure Demokratien für wesentlich robuster halte, als viele offenbar befürchten. Und ich glaube wirklich, dass es sie noch stärker machen wird, wenn wir unseren Bürgern erlau- ben, ihre Meinung zu äußern. Was uns natürlich zurück nach München führt – wo die Organisatoren dieser Konferenz Gesetzgeber populistischer Parteien, sowohl von links als auch von rechts, von der Teilnahme an diesen Gesprächen ausgeschlossen haben.
An die Demokratie zu glauben, bedeutet zu verstehen, dass jeder unserer Bürger Weisheit besitzt und eine Stimme hat. Und wenn wir uns weigern, diese Stimme zu hören, werden selbst unsere größten Erfolge nur wenig Bestand haben. Wie Papst Johannes Paul II., für mich einer der außergewöhnlichsten Verfechter der Demokratie auf diesem oder jedem anderen Kontinent, einst sagte: »Fürchtet euch nicht.«
Wir sollten keine Angst vor unserem Volk haben – selbst dann nicht, wenn es Ansichten äußert, die nicht mit der Meinung der Führung übereinstimmen. Danke Ihnen allen. Viel Glück für Sie alle. Gott segne Sie.«